Mein Leben mit mir

27 Juli 2006

Es brennt, es brennt nicht, ...

 Dicht an dicht drängeln sich die Schwefelmoleküle. Wenn Sie denken könnten, wüssten sie, dass es gleich aus ist mit der trauten Gemeinsamkeit. Langsam streichen die Schwefelmoleküle an der Reibfläche entlang. Den ersten Molekülen wird es nun sehr warm. Plötzlich bricht ein Molekül aus dem Verbund aus und löst somit eine Kettenreaktion aus.

Er führt das entzündete Streichholz langsam zur Zigarette. "Wegen der akuten Waldbrandgefahr bitten wir auch kleinste Waldbrände den zuständigen Behörden zu melden." Ach, wie oft hatte er diese Nachricht bereits gehört. Aber die Sucht ist nunmal stärker als jeder gute Vorsatz. Er braucht jetzt seine Dosis Nikotin - und da stört es ihn auch nicht, dass er mitten in einem gefährdeten Waldgebiet steht.

Die Flamme entzündet die vordersten Tabakstücke der selbstgedrehten Zigarette. Er zieht an ihr. Das Nikotin löst in seinem Körper ein wahres Glücksgefühl aus. Ja, diese Zigarette brauchte er jetzt. Noch vollkommen von seinem kurzen Rausch überwältigt, wirft er das noch brennende Streichholz weg.

Die Schwefelmoleküle haben sich längst verflüchtigt. Die Flammen haben schon vor geraumer Zeit auf den dünnen 
Holzstiel des Streichholzes übergegriffen. Ein leichter Wind droht die Flammen auszublasen, während
das Streichholz durch die Luft fliegt. Das Holzstückchen fällt auf ein Stück ausgetrocknete Wiese.
Augenblicklich greifen die fast verloschenen Flammen auf die Grashalme über. Wie bereits bei der Entzündung des Streichholzes kommt es zu einer Kettenreaktion. Die Flammen
springen von Grashalm zu Grashalm. In kürzester Zeit ist ein quadratmeter großes Stück verbrannt.

Die Flammen fressen sich weiter durch die Wiese. Der aufkommende Wind bestimmt die weitere Ausbreitungsrichtung. Die Flammenzunge
nähert sich unaufhörlich einem Gebüsch. Wenige Sekunden später brennt der erste, dann der zweite und dritte Busch. Das Feuer springt auf einen Baum über. Aus dem kleinen Streichholz ist ein Waldbrand geworden.

Zur gleichen Zeit, wenige hundert Meter entfernt: Ein Ornitologe sitzt auf einem Hochsitz und sucht mit seinem Fernglas den Wald nach Vögeln ab. Rotkehlchen, Amsel und Schwalben hat er schon gesichtet. Doch er ist auf der Suche nach etwas anderem,
etwas viel größerem. Er möchte zu gern einen Falken sehen. Schon seit drei Tagen kommt er zu diesem Hochsitz - eine Internetbekanntschaft hatte ihm dazu geraten. Aber seit drei Tagen sieht er nichts anderes als Rotkehlchen, Amsel und Schwalben. Inzwischen kennt er jedes Blatt, jeden Ast, ja jeden Baum. Aber da sieht er durch seinen Feldstecher etwas, was er vorher nicht gesehen hat: Feuer!

Es ist 13.31 Uhr und 23 Sekunden. Der diensthabende Mitarbeiter der Feuerwehrleitstelle nimmt den Notruf entgegen. Der Anrufer ist sehr nervös.

13.31 Uhr 58 Sekunden
Der diensthabende Mitarbeiter löst Alarm aus, Stichwort "Flächenbrand". Da es Mittagszeit ist, löst er vorsichtshalber zusätzlich den Alarm über die Sirene aus.

13.32 Uhr 12 Sekunden
Der Meldeempfänger von 44 Kameraden der freiwilligen Feuerwehr gibt Alarm, Stichwort "Flächenbrand". Aber aufgrund der Mittagszeit wird es nur 12 Kameraden möglich sein, zur Fahrzeughalle zu kommen.

13.34 Uhr 23 Sekunden
Der erste Kamerad trifft an der Fahrzeughalle ein. Er bereitet alles vor, damit das Ausrücken schnell von Statten gehen kann.

13.34 Uhr 32 Sekunden
Es sind bereits zwei weitere Kameraden eingetroffen.

13.34 Uhr 49 Sekunden
Die Kameraden Nummer drei, vier und fünf treffen ein.

13.36 Uhr 00 Sekunden
Mit dem Eintreffen des sechsten Kameraden kann das erste Fahrzeug ausrücken.

13.36 Uhr 03 Sekunden
Der Fahrer schaltet das Martinshorn und die Signalleuchten ein. Vier Sekunden später ist das Fahrzeug an der Bundesstraße. Auf Grund einer Ampel und eines erhöhten 
Verkehrsaufkommens ist die Bundesstraße total verstopft. Das Feuerwehrfahrzeug kann nicht auf die Bundesstraße abbiegen, um so zum Einsatzort zu gelangen.
Ein beherzter Passant erkennt den Ernst der Lage und dirigiert - durch gezieltes Anbrüllen - die Autos auf die Bürgersteige und in die Busparktasche.

13.40 Uhr 09 Sekunden
Das Feuerwehrfahrzeug könnte jetzt auf die Bundesstraße fahren. Aus dem Lautsprecher des Funkgerätes quäkt die Stimme des Leitstellenmitarbeiters: "Einsatz aufgehoben. Brand wurde von Nachbarn mit Gartenschlauch gelöscht."